Umsturz in Syrien - Tausende Syrer feiern in Berlin Sturz von Diktator Assad

So 08.12.24 | 19:12 Uhr
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Syrer in Deutschland feiern am 08.12.2024 am Oranienplatz in Kreuzberg den Sturz von Assad in Syrien. (Quelle: Imago Images/dts Nachrichtenagentur)
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Video: rbb|24 | 08.12.2024 | Material: rbb | Bild: Imago Images/dts Nachrichtenagentur

Nach fast 25 Jahren ist der syrische Diktator Baschar al-Assad entmachtet - Millionen Syrerinnen und Syrer waren ab 2011 vor dem Bürgerkrieg geflohen. In Berlin feierten Menschen al-Assads Flucht, am Sonntag auch bei einer Demo auf dem Oranienplatz.

Parallel zum Machtwechsel in Syrien haben sich am Wochenende Menschen in Berlin-Neukölln und -Kreuzberg zu Demonstrationen versammelt, um den Sturz des Diktators Baschar al-Assad zu feiern. Am frühen Sonntagnachmittag versammelten sich nach Polizeiangaben 5.000 Demonstranten auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Nach Beobachtungen eines rbb-Reporters fuhren außerdem zahlreiche Autos hupend durch die umliegenden Straßen.

Die Stimmung war ausgelassen, die Menschen jubelten und feierten. Spontane Feiern, Autokorsos und Hupkonzerte gab es im Tagesverlauf auch am Moritzplatz und auf der Sonnenallee. Die Menschen schwenkten Fahnen Syriens und der islamistischen Rebellen und Regimegegner. Vom Oranienplatz aus zogen Teile der Menge später weiter in Richtung Oberbaumbrücke. Die Polizei war mit mehreren hundert Kräften vor Ort. Inzwischen ist die Veranstaltung beendet. Nennenswerte Zwischenfälle habe es nicht gegeben.

Feiern bereits am Samstagabend in Neukölln

Bereits am Samstagabend versammelten sich feiernde Syrer auf der Neuköllner Sonnenallee. Nach Angaben des Polizeilichen Lagedienstes soll es sich zunächst um eine "relativ kleine Gruppe" von etwa 100 Menschen gehandelt haben. Besondere Vorfälle seien nicht bekannt, die Versammlung sei friedlich verlaufen, hieß es weiter. Auf Flaggen war der Slogan "Free Syria" zu lesen. Am späten Samstagnachmittag und am Samstagabend zog ein Autokorso mit jubelnden Menschen durch Neukölln. Die Polizei berichtete von einer angezeigten Versammlung von Syrern, "die gegen das Kalifat demonstriert haben". Daran hätten sich Menschen "im mittleren dreistelligen Bereich" beteiligt. Es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Auch am Sonntag brachten Menschen in Autokorsi in Neukölln ihre Freude über den Machtwechsel in Syrien zum Ausdruck.

Islamisten der Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) hatten die Einnahme der syrischen Hauptstadt Damaskus gemeldet. Der ehemalige syrische Staatspräsident Baschar al-Assad sei geflüchtet. Das russische Außenministerium, Unterstützer al-Assads, teilte am Vormittag mit, al-Assad habe das Land verlassen und sei zurückgetreten. Am Abend dann meldeten mehrere Nachrichtenagenturen, Assad sei gemeinsam mit seiner Familie in Russland "im Asyl". Sie bezogen sich dabei auf die russische Staatsagentur Tass.

Der Einnahme von Damaskus war ein rasanter Vormarsch der islamistischen Rebellen vorangegangen, die binnen weniger Tage die Kontrolle über mehrere syrische Großstädte gewonnen hatten. Der syrische Ministerpräsident al-Dschalali sicherte zu, einen geordneten Machtübergang zu unterstützen [tagesschau.de].

Menschen feiern am 08.12.2024 den Sturz von Machthaber Assad am Berliner Oranienplatz. (Quelle: rbb24/Georg-Stefan Russew)
Am Sonntag feierten tausene Menschen am Oranienplatz und hielten syrische Flaggen hoch.Bild: rbb24/Georg-Stefan Russew

Fast 25 Jahre lang Alleinherrscher

Der Diktator Baschar al-Assad hatte Syrien fast 25 Jahre lang autoritär beherrscht, wie zuvor bereits sein Vater - nun floh er in einem Militärflugzeug aus dem Land, über seinen Aufenthaltsort ist noch nichts bekannt.

Zu Beginn seiner Herrschaft weckte Assad, der in England studiert hatte, Hoffnungen auf einen neuen Kurs. Doch die anfängliche Euphorie des sogenannten "Damaszener Frühlings", der kurze Zeit offenere Diskussionen erlaubte, wich bald der Rückkehr brutaler Repression. Unterstützt von Russland und Iran führte Assad ab 2011 einen Krieg gegen Rebellen, darunter mehrere radikale Dschihadisten-Gruppen - aber auch gegen die Zivilbevölkerung. Seine Armee setzte unter anderem Fassbomben und Giftgas ein. Mehr als 500.000 Menschen wurden in dem Bürgerkrieg getötet.

Syrische oppositionelle Kämpfer machen am 08.12.2024 im Präsidentenpalast in Damaskus, Syrien ein Selfie. (Quelle: Picture Alliance/AP/Omar Sanadiki)
Zunächst überwiegt bei den Gegnern und Opfern des Assad-Regimes Erleichterung. Die HTS-Gruppe gibt sich nach außen hin gemäßigt - wie sehr man diesen Worten aber Glauben schenken darf, ist im Moment völlig offen.Bild: Picture Alliance/AP/Omar Sanadiki

Außenministerin: "Land darf jetzt nicht in die Hände anderer Radikaler fallen"

Infolgedessen flohen Millionen Syrerinnen und Syrer ins Ausland. Dort leben heute laut UN knapp fünf Millionen syrische Staatsbürger, der Großteil in benachbarten Ländern wie der Türkei (drei Millionen). In Deutschland lebten Ende 2023 712.000 registrierte syrische Asylbewerberinnen und Asylbewerber.

Für sie gilt derzeit grundsätzlich ein faktisches Abschiebeverbot nach Syrien, auch wenn die rechtliche Situation komplex und teilweise umstritten ist. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage in Syrien wird weiterhin als äußerst kritisch eingestuft. Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, ob sich aus der "rasch verändernden Lage" in Syrien Fluchtbewegungen in der Region oder aus der Region hinaus ergäben, sei zur Zeit noch nicht vorhersehbar. Ebensowenig sei abzuschätzen, welche Auswirkungen die sich verändernde Lage auf die Möglichkeiten von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr in ihre Heimat haben werde.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den Sturz des syrischen Regimes von Baschar Al-Assad am Sonntag als "erstes großes Aufatmen" bezeichnet, aber zugleich vor einer erneuten Eskalation gewarnt. "Das Land darf jetzt nicht in die Hände anderer Radikaler fallen - egal in welchem Gewand", warnte Baerbock in einer Mitteilung.

HTS wird von westlichen Regierungen als "Terrorgruppe" eingestuft

Experten und westliche Regierungen stufen die nun offensichtlich die Macht übernehmende HTS als Terrorgruppe ein. Der Wissenschaftler Thomas Pierret von Frankreichs nationalem Forschungsinstitut CNRS beispielsweise nannte ihren Anführer Muhammad al-Dscholani einen "pragmatischen Radikalen" [tagesschau.de].

Der Name der Gruppe HTS bedeutet übersetzt "Komitee zur Befreiung der Levante". Die Levante bezeichnet dabei die Region im östlichen Mittelmeerraum, die Syrien und die umliegenden Gebiete umfasst. Der Name spiegelt das Ziel der Gruppe wider, das Assad-Regime zu stürzen und einen sunnitischen islamischen Staat in Syrien zu errichten.

Während der de-facto-Herrschaft in der nördlichen Provinz Idlib baute HTS in den von ihr kontrollierten Gegenden eine zivile Regierung auf und richtete eine Art Staat in der Provinz Idlib ein, während sie zugleich ihre Rivalen zerschlug. HTS wurden in dieser Zeit aber auch von Bewohnern und Menschenrechtsgruppen brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vorgeworfen - die Vereinten Nationen stufen diese als Kriegsverbrechen ein.

Syrer und Syrerinnen feiern den Sturz Assads

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.12.2024, 19:30 Uhr

 

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46 Kommentare

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  1. 46.

    Als die Taliban in Afghanistan die Macht übernahmen, versprach sie auch ein Land für alle zu schaffen. Was daraus geworden ist weiß man ja. Die Ankündigung der HTS ist nicht zu trauen und wenig glaubwürdig. Die Chancen stehen eher dafür das ein Terrorregime durch ein neues ersetzt wird.

  2. 45.

    Genau dieser Hochmut vor der "dahergelaufenen Bande" könnte zum Problem werden. Die Anhänger des "pragmatischen Radikalen" vertreten, ob uns das passt oder nicht, andere Werte. Hier könnte auf "diplomatischem" Wege angesetzt werden um nicht erneut Fehler der Vergangeheit zu wiederholen. Eines ist sicher, westliche Werte überstülpen geht eher nicht. Sieht man sich die Landkarte an ist der zusammenhängende Raum derer, die möglicherweise nur radikale Werte vertreten durch den Sturz des Assadregimes deutlich gewachsen. Hier versuchen einen "Ruhepol" zu installieren wäre einen Versuch wert. Ich gehe noch weiter. Hier die Türkei als Nato-Partner mit einzubinden könnte auch erfolgsversprechend sein und die deutsche Außenpolitik hat ja wohl wiedermal schon vorab zielsicher das Fettnäpfchen getroffen.

  3. 44.

    Das Leid so vieler Menschen durch den syrischen Bürgerkrieg hat erstmal ein Ende. Assad hatte die eigene Bevölkerung brutal verfolgen und töten lassen. Jetzt ist er weg und das ist gut so. Schon vor dem Bürgerkrieg war Syrien ein Überwachungs- und Folterstaat erster Güte, wurde aber nie mit dem Label "Terror" versehen ....
    Der HTS-Führer hat angekündigt, es würden anders als Jahrzehnte zuvor, alle Syrer:innen gleiches Recht erhalten. Was daraus wird, weiß kein Mensch. Aber wir hier im satten demokratischen Westen sollten jetzt mal demütig die Füße still halten und den Kriegsflüchtlingen ihre Freude gönnen.

  4. 43.

    Verwechseln Sie da nicht wieder mal was, das ist nicht Hessen oder sowas. Schon in den 80ern haben mir Mitstudenten von den Gräueltaten des alten Assad Regimes erzählt. Unbeschreibliche Foltermethoden. Es wurden viele wieder freigelassen, die dann, vor allem psychisch, aber auch körperlich zerstört, als abschreckendes Beispiel wohin Opposition führt dienten. Also auch angesichts des allgemeinen Umfelds habe ich da keine einfache Lösung bereit. So wie Sie das vereinfachen geht es nicht.

  5. 42.

    Was sagt unsere großartige Außenministerin zu Assads Sturz? Mehr Entwicklungshife?

  6. 41.

    Was schlichtweg auch daran liegen könnte, dass man dort ein anderes Verständnis von Demokratie hat, die halt eine andere als die unsrigen ist. Unser westlicher Blick ist all zu oft verklärt und wir neigen dazu, diese auch Anderen anzudichten und werden danach deshalb von der Realität enttäuscht.

  7. 40.

    Viele Syrer feiern, dass Assad gestürzt ist. Aber nicht alle feiern, dass dieser Sieg vor allem durch HTS errungen wurde. Das ist eine islamistische Terrororganisation, vergleichbar mit Hamas, Hisbollah oder Taliban. Ich hoffe, man hat ein Auge darauf, wer hierzulande HTS zujubelt.

  8. 39.

    Die Euphorie scheint mir ein bisschen verfrüht und übertrieben. Ob die Übernahme der Macht durch islamistische Rebellen eine echte Befreiung für die Bevölkerung ist, oder ob sie vom Regen in die Traufe kommen, muss sich erst herausstellen. Ich bin da nicht sicher. Möglicherweise habe ich aber auch andere Ansprüche und Vorstellungen von Freiheit und Demokratie als die feiernden Syrer.

  9. 38.

    Und, was haben die russischen Bomben gebracht?

  10. 37.

    Israel wird sich zu helfen wissen, ob gegen den Massenmörder Assad oder eine dahergelaufene Bande von Islamisten.

  11. 36.

    Es freuen sich Syrer. Alle Syrer halte ich für ein Gerücht. Es ist fraglich, ob es Kurden, Christen und anderen Minderheiten in Zukunft besser gehen wird. Ich wünsche es ihnen.
    Alles für einen friedlichen Machtwechsel in die Wege geleitet ist Ansichtssache. Was z.Bsp. in Aleppo geschah, las sich alles andere als friedlich. Es ist aber gut, das scheinbar jetzt aktuell nicht noch mehr Blut vergossen wird. Ich hoffe, dass sich in der Region ein stabiler Frieden einzieht und das Land mit all seinen Nachbarn gute Beziehungen betreibt.

  12. 35.

    Es ging alles mehr als schnell mit dem Sturz von Assad. Die Türkei ist wohl der Gewinner. Verlierer ist der Iran. Möglich das es dort auch zu einem politischen Beben kommen könnte. Wo der Schlächter Assad geblieben ist, kein Sicherheitsdienst weltweit sagt dazu etwas, wissen sie es nicht oder halten sich z. Zt. noch bedeckt.

  13. 34.

    "Komitee zur Befreiung der Levante"
    Ich hoffe mal das die Lage in Nahost nun nicht vollends außer Kontrolle gerät. Zur Levante gehören neben dem Libanon auch die palästinensischen Autonomiegebiete und Israel.

  14. 32.

    Es dürfte doch wohl unstreitig sein, dass Assad ein Massenmörder ist. Man wird sehen wie es sich entwickelt. Dass Eine mit dem dem Anderen aufzuwiegen liegt neben der Sache .

  15. 31.

    Hoffentlich gibts kein Mullah-Regime.

  16. 30.

    Ich würde es begrüßen, wenn in Syrien die von Ihnen skizzierte Entwicklung tatsächlich stattfindet, habe aber das Beispiel Afghanistan vor Augen, wo die Taliban vor ihrer zweiten Machtübernahme auch Mäßigung versprachen.

  17. 29.

    "@Ohmann.Kommentare *14, *18, *20."

    Entschuldigung @Friedrich.
    Ich habe aufden falschen Antwortbutton geklickt...

  18. 28.

    Was für eine böse böse Unterstellung!
    Habe diese Farbe nicht mal ansatzweise genannt.
    Es geht um das Außenministerium bzw. den Außenminister.
    Und Ihr Kommentar zum rbb-Beitrag ist welcher?

  19. 27.

    @Ohmann.Kommentare *14, *18, *20.

    Seit Monaten Poste ich mit "Ohmann" diverse Theman.
    Ich würde es gegrüßen, wenn Sie sich einen Moment konzentrieren und sich einen eigenen Nick zulegen. Danke.



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